Wissenschaftliche Studien holen ein, was ich mein ganzes Leben lang intuitiv wusste und spürte: die heilende Kraft des Meeres. Die Ergebnisse dieser Studien zeigen, wie Surftherapie durch aktives Engagement und Eintauchen in das Meer ein Gefühl der Erholung von alltäglichen und erworbenen Ängsten und Behinderungen vermitteln und die psychische Gesundheit fördern kann. Die gesundheitlichen Vorteile der Surftherapie hängen mit der fließenden und dynamischen Natur des Surfens und des Meeres zusammen. Die multisensorische Natur des Surfens ist mit einer verbesserten Gesundheit verbunden, da alle unsere Sinnessysteme auf zellulärer Ebene aktiviert und die „Neuroplastizität“ verbessert wird – wodurch die Fähigkeit des Gehirns unterstützt wird, agiler und anpassungsfähiger zu werden. Die zusätzliche Herausforderung und Unvorhersehbarkeit des Surfens stärkt zudem die Widerstandsfähigkeit und hilft uns, besser mit Stress umzugehen. Surfen in einer Gruppe zu lernen, kann durch gemeinsame Erlebnisse in der Brandung das Gefühl der Zugehörigkeit und Identität stärken. Bei Amputierten und Menschen mit Rückenmarksverletzungen kann Surfen die Abhängigkeit von Opioid-Medikamenten verringern sowie Gleichgewicht und Mobilität verbessern. Menschen mit Mukoviszidose stellten fest, dass sie nach dem Surfen leichter atmen konnten, da das Salzwasser mit weniger Lungenentzündungen in Verbindung gebracht wurde.
Surfen ist eine körperbetonte Form der Interaktion und des Erlebens der Natur – etwas, von dem wir uns zunehmend trennen. Aus Forschungssicht besteht die Herausforderung darin, die Auswirkungen auf Gesundheit und Wohlbefinden in einer so komplexen, fließenden und dynamischen Umgebung wie dem Surfen zu messen und zu erfassen, um die Vorteile gegenüber Gesundheitsexperten und politischen Entscheidungsträgern besser vermitteln zu können. Um den Reichtum dieser Erlebnisse des Eintauchens ins Meer, die uns von unseren Sorgen an Land ablenken, besser zu verstehen, benötigen wir auch kreativere und partizipativere Bewertungsmethoden.
Im Rahmen meiner Forschung arbeitete ich mit Liquid Therapy, einer gemeinnützigen Surftherapie-Organisation in Irland, und einer Gruppe junger Surfer mit Autismus zusammen, um ihre Erfahrungen besser zu verstehen. Mithilfe der Technik Body Mapping erforschten wir ihre Gefühle und ihr emotionales Wohlbefinden. Body Mapping spricht die Sinne an und greift auf ähnliche Methoden aus der Kunst- und Tanztherapie sowie der Achtsamkeitspraxis zurück. Mithilfe von Objekten, Symbolen, Farben und Empfindungen fördert es die aktive und spielerische Teilnahme an der Forschung. Es beinhaltet außerdem Reflexion und Geschichtenerzählen, um die Beziehungen zwischen persönlicher, sozialer und natürlicher Welt kreativ zu erforschen.
Ein kreativer und körperhafter Ansatz wie Body Mapping schuf Raum für verschiedene Ausdrucksformen und ermöglichte breitere Formen der Auseinandersetzung und Kommunikation, die nicht ausschließlich auf traditionellen (schriftlichen/verbal) Formen beruhten, die ausgrenzen oder entfremden könnten. Die Berichte der jungen Surfer offenbarten Veränderungen in ihrem Identitätsgefühl, ihrem Selbstbewusstsein und ihrer Verbundenheit zur Natur. Dies stärkte das Selbstvertrauen sowie die zwischenmenschlichen und kommunikativen Fähigkeiten von Menschen mit geringem Selbstwertgefühl.
Surftherapie bietet die Möglichkeit, das Meer als heilend, erholsam und gesundheitsfördernd zu sehen, zu verstehen und zu erleben. Sie bietet Potenzial für neuartige Gesundheitsinterventionen und Gesundheitsförderung, insbesondere in einer Zeit weltweit erhöhter psychischer Belastungen, die auch nach dem Ende der Pandemie anhalten werden. Um das Potenzial der Surftherapie fair, gerecht und integrativ zu nutzen und zu verwirklichen, müssen wir den Ozean wieder zu einem sicheren und gesunden Ort für alle machen.